„Verzeihen unmöglich ? Vom Umgang mit schwerer/schwerster Schuld“
Von einem Gefangenen der JVA Darmstadt
Redigiert von Sigrid Hornung, evangelische Pfarrerin in der JVA Darmstadt
„Wie konnte ich das tun? Wie konnte es soweit kommen“, sind wahrscheinlich die Fragen, welche sich die Täter nach Straftaten am häufigsten stellen. Der Umgang damit, vor allem in der Einsamkeit eines Haftraumes, ist für die Psyche und Seele eines Menschen fast unmöglich zu verarbeiten. Natürlich sind die Charaktere verschieden und die Reaktionen fallen recht unterschiedlich aus. Aber jeder und jede ist damit beschäftigt zu erörtern und zu rekapitulieren, was passiert ist. Auch das Motiv der Tat spielt eine große Rolle. Ist die Tat im Affekt geschehen, war es geplant, gezielt, oder war es ein Unfall? Die Differenzierung ist im Wesentlichen ebenfalls mit der Umgehens Weise des Einzelnen, der Einzelnen mit seiner Tat geschuldet.
Kann ein Mensch überhaupt „richtig“ mit schwerer Schuld umgehen? Da von Selbstmord nach der Tat bis hin zur „ Scheiß Egal-Mentalität“ alles vertreten ist, wird eine allgemeine Antwort auf die Frage: Wie gehen Menschen/Täter mit schwerer Schuld um? ja fast unmöglich zu finden sein. Eine gewisse Erleichterung bei der Verarbeitung kann muss aber nicht die Vergebung der Opfer/ Hinterbliebenen sein. Wobei ein Einfaches „ich vergebe dir „ nicht ausreicht. Ein richtiges Gespräch mit gemeinsamer Aufarbeitung wäre sinnvoll. Leider besteht aber meistens nicht die Möglichkeit einer solchen Aufarbeitung. Trotzdem ist ein „ich vergebe dir“ für einen Menschen, der ehrlich seine Taten bereut gerade bei tataufarbeitenden Gesprächen mit Psychologen hilfreich. Großen Anteil am Versuch eines Gefangenen/Täters mit der Schuld umzugehen bzw. damit fertig zu werden, hat die Seelsorge bzw. PfarrerInnen. Die intensiven Gespräche sowohl in Einzelsitzungen als auch in Gruppensitzungen, sind die beliebteste Art das Thema anzugehen. Die psychologische Aufarbeitung wird eher als ein „Muss“ angesehen, wobei man sich in der Gegenwart einer Pfarrerin, eines Pfarrers, emotionaler, freier vor allem aber geschützter geben ,äußern, ja fallen lassen kann. Außerhalb der justiz- und juristisch notwendigen, teils auch vom Gericht angeordneten, Tataufarbeitung bietet die Seelsorge dem Einzelnen das tatsächliche „Hose runter lassen“. Dieses Angebot wird mehr als nur gern angenommen, auch weil es eine Art ist, dass der Täter sich in der persönlichen Umgebung als Mensch fühlt. Bei Anfragen zu Gesprächen wird nicht nach Konfessionszugehörigkeit sondiert, sondern es zählt der Mensch und der eigentliche Gedanke der Seelsorge wird angewandt. Es wird versucht jedem und jeder zu helfen.
Der schuldig gewordene Mensch erlebt sich in dem Zwiespalt das Geschehene vergessen zu wollen, aber es nicht vergessen zu können. Daher fällt es schwer sich selbst zu vergeben, wenn das Gehirn einem immer wieder den Spiegel vorhält. Eine ausgesprochene Vergebung auch im Rahmen einer kirchlichen Beichte ebnet dem Täter den Weg sich selbst zu vergeben. Der Weg kann sehr lang sein. Wenn ich mich von Gottes Vergebung anschubsen lasse, dann können sich Neuanfänge eröffnen.
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